Auffassung, dass die Geburt eine einschneidende Erfahrung im Leben jedes Menschen darstellt und eine wichtige Grundprägung für die weitere seelische Entwicklung darstellt. Aus dem „ozeanischen“ (Grof) Gefühl des Allumsorgtseins im Embryonalzustand gerät das Kind zu Beginn der Geburtsphase unter enormen Druck durch die Wehentätigkeit und wird mit Existenzängsten konfrontiert, bis es nach dem anstrengenden Durchgang durch den Geburtskanal erschöpft in eine häufig stressgeladene Umgebung hineingeboren wird. Je nach Verlauf der Geburt ergeben sich traumatische Prägungen, die dann in späteren belastenden Lebenserfahrungen ihre Bestätigung und Befestigung erfahren können.
Der Begriff wurde erstmals 1923 von O. Rank in die psychoanalytische Theorie eingeführt und später von D.W. Winnicott aufgegriffen. Größere Bedeutung erlangte der Begriff allerdings erst im Bereich der Körpertherapien (Körperarbeit nach Reich, Primärtherapie) und Atemtherapien (Rebirthing, Holotropes Atmen, Integratives Atmen). Zahlreiche Erfahrungsberichte aus diesen Bereichen sowie aus den Forschungen von S. Grof stärken die Auffassung, dass Erinnerungen an sehr frühe Erlebnisse (z.B. erster Atemzug) gespeichern werden können, auch wenn die Gehirnentwicklung noch nicht entsprechend weit fortgeschritten ist. Therapeutische Erfolge der genannten Methoden belegen, dass das Wiedererleben der Geburt in geeignetem Rahmen wichtige psychische Heilungsprozesse fördern kann.
Grof hat die Geburtserfahrung in vier Abschnitte eingeteilt (Perinatale Matrizen) und systematisch verschiedenen psychischen Störungen zugeordnet und in weitere kulturhistorische Zusammenhänge eingebettet.
Unterstützung fand die Geburtstraumatheorie durch die moderne Geburtsmedizin (F.Leboyer, M.Odent) und Geburtspsychologie (E. und L. Feher), welche die Bedeutung einer „sanften“, weitgehend untraumatischen Geburt für die weitere körperliche und psychische Entwicklung des Menschen eindrucksvoll bestätigen konnten.
Die Auflösung oder Bearbeitung des Geburtstraumas ist ein wichtiger Aspekt der Atemarbeit. In Atemsitzungen können leicht Themen aus der Geburt aufsteigen, die dann mit der Kraft des Atems und mit einfühlender Begleitung integriert werden können.
Eine besonders gute Möglichkeit zur Lösung des Geburtstraumas bietet das ATMAN-Geburtsseminar (Empfängnis und Geburt), das mit einem laufend weiterentwickelten Konzept einen optimalen Rahmen für die Bewältigung der verschiedenen Aspekte des Geburtstraumas bietet.
Die Aufarbeitung der eigenen Geburt ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Geburtsbegleitung durch Ärzte, Hebammen und Laien. Denn die Anwesenheit bei einer Geburt kann Themen der eigenen Geburt hochbringen, die die Atmosphäre bei der Geburt belasten, wenn sie nicht integriert sind. Für Schwangere oder für Frauen, die Kinder bekommen wollen, bietet die Geburtsarbeit eine gute Basis für eine sanfte Geburt, weil dann unaufgelöste Themen der eigenen Geburt das Gebären der eigenen Kinder nicht behindern
Literatur:
Abbondio, I (1994) Traumatisme de la Naissance et Souffle dans la Psychologie Occidentale. Lausanne
Grof, S (1991) Geburt, Tod und Transzendenz. Neue Dimensionen in der Psychologie. Rowohlt, Reinbek
Janov, A (1993) Der neue Urschrei. Fortschritte in der Primärtherapie. Fischer, Frankfurt
Ray S, Mandel B (1987) Birth and Relationships. Celestial Arts Berkeley